Tierquälerei bei der Jagdausübung - Mit einem Bein im Gefängnis
Jagdliche Handlungen, vor allem das Erlegen eines Tieres, kann für mit der Jagdpraxis nicht Vertraute grausam aussehen. Schnell sind diese dann dabei, dem Jäger Tierquälerei vorzuwerfen und deswegen Anzeige zu erstatten.Text: Thomas Kroder, Rechtsanwalt Augsburg
Tierquälerei ist ein Straftatbestand. Gemäß § 17 Tierschutzgesetz wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet (§ 17 Nr. 1 TierSchG) oder diesem aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende Schmerzen oder Leiden zufügt (§ 17 Nr. 2 a, b TierSchG).
Mit der Anschuldigung der Tierquälerei sah sich auch ein Jäger, 17 Jahresjagdscheine und frischer Jagdpächter eines Reviers im süddeutschen Raum, konfrontiert. Er wurde mittels Strafbefehl in Höhe von 9.000 € (90 Tagesätze à 100 €) beschuldigt, eine Krähe vorsätzlich krank geschossen zu haben, um - entgegen der Verpflichtung nach § 22 a BJagdG (unverzügliche Erlegungspflicht, um krank geschossenem Wild vor vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zu bewahren) - anschließend seinen Hund zu holen, damit der das "Totbeißen eines Tieres" lernt. Drastisch die Wortwahl im Strafbefehl: Der Beschuldigte habe "aus einer gefühllosen, fremde Leiden missachtenden Gesinnung das Tier nicht sofort getötet, sondern seinen Hund dazu gebracht, die angeschossene Krähe totzubeißen, so dass der Todeskampf der Krähe zwischen 10 und 15 Minuten dauerte".
Der Beschuldigte erhob mit anwaltlicher Unterstützung Einspruch gegen den Strafbefehl. Es kam zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech. Hier führt der Jäger aus, dass er auf einer freien Feldfläche (abgeernteter Maisacker) eine am Boden sitzende Krähe mit Schrot beschossen habe, die sofort regungslos liegen blieb. Nachdem weitere Krähen auf den ersten Schuss hin flüchtig abstrichen, habe er noch mit dem zweiten Schuss versucht, eine weitere Krähe zu erlegen, diese aber gefehlt.
Dies, so der Jagdpächter, der einen geprüften Deutschen Wachtelhund führt, außerdem wiederholt für andere Jäger Nachsuchen durchführt, habe er als eine gute Gelegenheit angesehen, seinen Jagdhund im Apportieren zu überprüfen. Er legte deswegen sein Gewehr ins Auto, holte seinen Jagdhund aus dem Auto und erteilte dem Wachtelhund den Befehl "Such, verloren, Apport!". Gleichzeitig gab er ein Handzeichen in Richtung der am Boden liegenden Krähe.
Der Hund fand die Krähe und wollte sie aufnehmen, was er im Hundekurs an toten Tieren wiederholt geübt hatte. Indes lebte die Rabenkrähe noch und hackte mit dem Schnabel nach dem Hund, der daraufhin zurückwich, den Vogel verbellte und versuchte die plötzlich recht lebendige Krähe zu fassen. Mit letzter Kraft strich die Krähe noch zehn Meter ab, um dann zu verenden.
Disput mit einer Erholungsuchenden
Während dieses Vorgangs ab der Abgabe der beiden Schüsse kam eine 42-jährige Mutter (und spätere Zeugin) mit zwei Kindern im Fahrradanhänger und frei laufendem Hund (Golden Retriever) daher, hielt an, hängte ihren Hund an und schaute, was da vor sich geht. Sie nahm den Versuch des Hundes wahr, die Krähe zu fassen und sah auch, dass die Krähe noch ein paar Meter flach über den Boden abstrich. Die Zeugin ärgerte sich und hielt dem Jagdpächter vor, dass sein Verhalten eine Tierquälerei darstelle. Er hätte sofort einen zweiten Schuss auf die Krähe abgeben müssen, um sie von ihren Leiden zu befreien. Es gab dann noch eine ausführliche Diskussion zwischen Jagdpächter und Zeugin über die Pflichten eines Jägers. Dabei soll auch die Bemerkung des Beschuldigten gefallen sein, sein Hund müsse lernen, die Krähe "tot zu beißen". Dies war wohl der Anlass für die Strafverfolgungsbehörden, davon auszugehen, dass die Krähe absichtlich krank geschossen worden war.In der Verhandlung wurde die waidgerechte Vorgehensweise beim Apportieren verletzen Federwildes ausführlich erörtert. Der Jagdpächter ließ sich dahingehend ein, dass er erklärt habe, ein erfahrener Hund würde die Krähe totbeißen. Im Übrigen wies er ausdrücklich darauf hin, dass er nach dem ersten Schuss davon ausgegangen sei, dass die Krähe verendet sei. Höchst streitig war auch die Dauer des Vorgangs. In den Ermittlungsakten hatte die Zeugin noch von einem Zeitraum von zwölf Minuten gesprochen, bis der Vogel "erlöst" gewesen sei. Der Jagdpächter erklärte, dass der Zeitraum zwischen dem Apportbefehl und dem Verenden der Krähe allenfalls 30 Sekunden bis eine Minute gedauert habe. Die Zeugin räumte ein, sehr erregt gewesen zu sein, was sich anscheinend durch die anschließende Diskussion noch gesteigert hatte. Die Formulierungen der Zeugin deuteten darauf hin, dass sie eine Antijagdaktivistin sein könnte. Dadurch dass sie dem Jagdpächter unterstellte, er habe "billigend in Kauf genommen", dass die Krähe Schmerzen erleiden würde.
Das Amtsgericht hat, nachdem auch die Staatsanwaltschaft Freispruch beantragte, den Jagdpächter freigesprochen (Az.: Cs 601 Js 137150/15). Die Zeiträume über die Dauer des Vorgangs hätten sich erheblich widersprochen, die Ansicht des Jagdpächters, die Krähe sei nach dem ersten Schuss verendet gewesen, war nicht zu widerlegen und letztlich sei das erneute Herausholen des Gewehrs aus dem Auto, um unmittelbar vor dem Fang des eigenen Hundes mit Schrot auf die Krähe zu schießen, weder waidgerecht noch angezeigt gewesen. Auf den Freispruch hin hat die Zeugin den Sitzungssaal wohl empört verlassen, weil sie die Türe laut ins Schloss fallen ließ.
Der Fall zeigt, dass Jagdhandlungen - wie überhaupt alle Vorgänge, die mit Waffen in Zusammenhang stehen - von einer höchst sensibilisierten Öffentlichkeit sehr kritisch wahrgenommen werden. Was früher gängige Praxis war, läuft heute Gefahr, mit Straftatbeständen, wie beispielsweise Tierquälerei, in einen Topf geworfen zu werden. Das Gericht war sichtlich interessiert daran, zu erfahren, wie mit Wild umgegangen wird, das durch einen Schrotschuss verletzt wurde. Dass ein Hund zum Apportieren geschickt wird und sich dabei herausstellt, dass das vermeintlich verendete Flugwild plötzlich höchst lebendig wird, ist jedenfalls für diejenigen, die noch die Zeiten der Rebhuhn- und Fasanenjagd regelmäßig miterlebt haben, eine Selbstverständlichkeit. Dass daraufhin das Finden, Ergreifen und Apportieren des angebleiten Flugwilds eine typische Aufgabe des firmen Hundes war und nur in Ausnahmefällen weitere Schüsse auf das verletzte Wild abgegeben wurden, war ebenso gängige Praxis.
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