Berufungsverhandlung vor dem LG Ulm wegen Tierquälerei
Strafsache wegen TierquälereiBerufungsverhandlung vor dem LG Ulm
1.
Der Mandant wurde als Jagdpächter zusammen mit seinem Jagdgast wegen Tierquälerei verurteilt. Das Amtsgericht Göppingen hatte in I. Instanz jeweils 50 Tagessätze angesetzt. Während das Urteil gegen den Jagdgast, der einen Fuchs geschossen hatte, rechtskräftig wurde, ging der in I. Instanz anwaltschaftlich nicht vertretene Jagdpächter in die Berufung, so dass es am 28.02.2017 vor dem LG Ulm zu einer Hauptverhandlung kam.
Der Vorwurf gegen den Mandanten entsprechend dem Urteil des AG Göppingen lautete, dass er gem. § 38 Abs. 1 JWMG gesetzlich verpflichtet sei, krank geschossene Wildtiere vor Leiden zu bewahren und unverzüglich zu erlegen. Daraus folge eine Garantenpflicht des Angeklagten als Jagdpächter, welche ihm auch bekannt war. Der Angeklagte sei dieser Pflicht nicht gerecht geworden und habe nicht das Erforderliche und Notwendige getan, um das verletzte Tier von den Leiden zu erlösen. Der Jagdpächter habe nur wenige Kilometer vom Auffindeort des Fuchses gewohnt und es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, den Fuchs durch einen gezielten Schuss zu töten. Der stattdessen vom Jagdpächter beauftragte Jagdgast, den er mit der Beseitigung des Fuchses beauftragt hatte, habe sich um den Fuchs nicht gekümmert. Spätestens nach verschiedenen Anrufen durch Passanten und dem Bürgermeister sei dem Jagdpächter bewusst gewesen, dass der Fuchs nicht zeitnah von den Leiden erlöst wurde. Er habe dies billigend in Kauf genommen. Es seien mindestens noch weitere zwei Stunden vergangen, bis der Jagdgast den Fuchs endlich erlegt und den Fangschuss gegeben habe.
2.
Durch den Schuss des Jagdgastes mit einer 30/06 Patrone gegen Mitternacht des 23. auf den 24.12.2015 wurde ein Fuchs an der Schulter verletzt und blieb bewegungsunfähig auf einer abgemähten Wiese nahe eines von Spaziergängern und Hunden viel begangenen Weges liegen. Trotz der Schulterverletzung lebte der Fuchs und wurde durch einen Fangschuss erst zwischen 15.30 Uhr und 16 Uhr des 24.12.2015 (Hl. Abend) erlegt.
3.
Der ältere Jagdpächter war zwei Tage vor dem Ereignis selbst von einer Ansitzleiter gestürzt, weil eine Sprosse gebrochen war. Er trug erhebliche und schwere Prellungen und Hämatome von der rechten Hüfte bis zum Knie davon. Er musste sich in ärztliche Behandlung begeben, brauchte Schmerzmittel und war bettlägerig. Keinesfalls war er ausgehfähig, da er das rechte Bein nicht belasten konnte.
Das hat der behandelnde Arzt in der Berufungsverhandlung vor dem Gericht bestätigt.
4.
Der Jagdgast berichtete zwar am frühen Morgen des 24.12.2015 dem Jagdpächter von dem Schuss auf den Fuchs gegen Mitternacht, erklärte aber, dass er nicht wisse, wohin der Fuchs geflüchtet sei. Den Auftrag des Jagdpächters, alsbald bei Tageslicht eine Nachsuche zu machen, und den Fuchs zu entsorgen ("zu verräumen") kam der Jagdgast nicht nach und berichtete auch dem Jagdpächter nicht über die von ihm in Anspruch genommene zeitliche Verzögerung.
5.
Im Laufe des Vormittags sahen mehrere Spaziergänger den Fuchs liegen und bemerkten auch, dass der Fuchs noch lebte, der allerdings nicht mehr flüchten konnte. Es gab deswegen Telefonate mit der Kommunalverwaltung und dem Bürgermeister und auch mit dem Schützen / Jagdgast selbst.
6.
Es blieb unklar, wann erstmals dem Jagdpächter mitgeteilt wurde, dass der Fuchs noch leben würde.
Der dem Jagdpächter nicht wohlgesonnene Bürgermeister behauptete in der Berufungsverhandlung vor dem LG, dass er schon gegen 10 Uhr darauf hingewiesen habe.
Unstreitig war der Hinweis einer Zeugin in einem Telefonat gegen 14 Uhr, dass der Fuchs noch lebt, aber nicht flüchten kann.
Der in I. Instanz rechtskräftig wegen Tierquälerei verurteilte Jagdgast ging nicht mehr ans Handy, wenn der Jagdpächter anrief, um eine Vollzugsmeldung zu erhalten.
Allerdings gelang es der Zeugin den Jagdgast zu sprechen, vermutlich deswegen, weil der Jagdgast die Telefonnummer der Zeugin nicht kannte und deswegen das Gespräch nicht wegdrückte. Der Zeugin gelang es schließlich, den Jagdgast zum Tatort her zu beordern und ihn zu veranlassen dem lebenden Fuchs einen Fangschuss zu geben, was allerdings nochmals fast zwei Stunden dauerte, weil der Jagdgast erst nach Hause gefahren ist, um zu Hause eine Faustfeuerwaffe zu holen.
7.
Die unzweifelhaften Versäumnisse des Verurteilten Jagdgastes, nämlich eine Nachschau bei Tageslicht vorzunehmen, den Anschussbereich zu besichtigen und nach evtl. Pürsch-Zeichen zu suchen, ggf. eine Nachsuche mit einem Hund einzuleiten, einen evtl. Tierkadaver zu beseitigen oder wie es hier notwendig gewesen wäre, auf den lebenden Fuchs einen Fangschuss anzubringen, waren nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es ging lediglich um die Versäumnisse des Jagdpächters, der nach Auffassung der Berufungskammer nicht das Erforderliche und Notwendige getan hatte, um von sich aus das verletzte Tier von Leiden zu erlösen.
8.
Die Kammer erkannte zwar an, dass der Jagdpächter wegen seines Sturzes von der Leiter selbst nicht in der Lage war, hinauszufahren um eine eigene Nachschau nach dem Fuchs durchzuführen. Sie war jedoch der Auffassung, dass der Jagdpächter nicht alles in seiner Macht stehende getan habe, um den Fuchs von seinen Leiden zu erlösen. Hierbei stellte die Kammer Überlegungen an, dass der Jagdpächter die Polizei hätte anrufen können, dass er einen befreundeten Jäger mit der Nachschau hätte beauftragen können. Schließlich gebe es auch sog. "Nachsuche-Stationen", bei denen Leute zur Verfügung stünden, die mit geeigneten Hunden willens und bereit sind, Nachsuchen zu veranstalten. Spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem dem Jagdpächter bekannt wurde, dass der Fuchs noch leben soll, hätte er handeln müssen, auch dann, wenn der Jagdgast seinem Auftrag, eine Nachschau vorzunehmen, offensichtlich nicht bereit oder willens war, nachzukommen.
Das Gericht wollte hier den Jagdpächter aufgrund seiner ausdrücklichen Verantwortlichkeit aufgrund der Jagdgesetze nicht aus der Verantwortung entlassen trotz seiner Unfähigkeit, selbst zu handeln.
9.
Auf Vorschlag der Kammer wurde nach weitgehend erfolgter Beweisaufnahme durch mehrere Zeugen, die Einstellung des Verfahrens gegen den Jagdpächter erörtert, allerdings erst nach Erfüllung von Auflagen gem. § 153 a StPO. Die Kammer dachte hierbei an einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse. Deswegen wurde die Verhandlung unterbrochen, nachdem die StA eine Zahlung in Höhe von 1.500,00 € als Auflage vorgeschlagen hatte.
Der Mandant hat nur sehr schweren Herzens dieser Geldauflage und Einstellung zugestimmt. Hierbei hatte die Verteidigung noch geltend gemacht, dass eine Geldauflage von 1.000,00 € völlig ausreichend sei, weil eine evtl. zu erwartende Verurteilung wegen Tierquälerei am unteren Rand des Strafrahmens liegen würde, also eine Geldauflage in Höhe von ca. 20 Tagessätzen plausibel erscheine. Hierbei verwies die Verteidigung darauf, dass der Jagdpächter vom Jagdgast nicht informiert und hingehalten wurde, dass der Jagdpächter selbst nicht ausgehfähig war und dass die Kammer selbst der Auffassung war, dass die Sache "dumm gelaufen" sei und die "kriminelle Energie" des Angeklagten als im untersten Bereich zu beurteilen sei.
Die Kammer wollte jedoch keinen "Basar" eröffnen und insistierte auf einer Geldauflage von 1.500,00 € zugunsten der Bewährungshilfe beim LG Ulm. Mit Rücksicht auf evtl. Rückwirkungen einer Verurteilung wegen Tierquälerei auf die Wiedererteilung des Jagdscheins auf die Verlängerung des Jagdscheins nach § 17 BJG oder auf die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG stimmte der Jagdpächter schließlich der Einstellung des Verfahrens zu, so dass es zur vorläufigen Einstellung des Verfahrens kam.
10.
Als Resümee muss aus diesem juristischen Verfahren für die Jagdpraxis jedem Jäger geraten werden, sich nach der Abgabe eines Schusses bei unklarem Ergebnis, ob die beschossene Kreatur getroffen oder gefehlt wurde, sich Klarheit zu verschaffen durch Nachschau am Anschuss, Untersuchung des Anschusses auf evtl. Pürschzeichen, Veranlassung einer falls erforderlichen Nachsuche mit geeignetem Hund und, falls eine Kreatur an nicht vermuteter Stelle aufgefunden wird, für deren alsbaldige Entsorgung samt evtl. notwendigem Fangschuss zu sorgen.
Die Allgemeinheit und die Öffentlichkeit nimmt am jagdlichen Geschehen immer mehr Anteil und nimmt evtl. Versäumnisse der Jägerschaft äußerst kritisch wahr, so dass Schlampereien in diesem Bereich zu Ermittlungen im Strafverfahren und Verurteilungen führen können, die sich höchst negativ auswirken können. Darüber sollte sich jeder Jäger im Klaren sein.
Augsburg, den 01.03.2017
Thomas Kroder
Rechtsanwalt
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